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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Niemeyer, Adelbert: Töpfereien der staatlichen Kunstgewerbeschule, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0085

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TÖPFEREIEN DER STAATL. KUNSTGEWERBESCHULE-MÜNCHEN

VON PROFESSOR ADELBERT NIEMEYER

Neben den verschiedenen Zweigen kunst-
handwerklicher Schulung an unseren An-
stalten erscheint eine Abteilung für Töpfer-
künste zunächst unzeitgemäß, überflüssig und
aussichtslos. Porzellan-, Steinzeug-, Steingut-
und Emaille-Fabriken decken den Bedarf an
Krügen, Schalen, Vasen u. a. mehr wie reichlich.
Die Drehscheibe aus Noahs Zeiten wird trotz-
dem, wie auch der Webstuhl der Penelope in
seiner primitiven Form, immer jene magische
Anziehungskraft behalten und mit Recht schöp-
ferisch Begabte in ihren Bann ziehen.

Ich wüßte auch kaum ein geeigneteres Er-
ziehungsmittel, das in solchem Maß den Respekt
vor der Arbeit, Bescheidenheit, Ausdauer und
Sinn für Form und Farbe ausbilden könnte, wie
eine auf ideeller Grundlage geführte Töpfer-
werkstatt. Es gehört eine beachtenswerte Be-
scheidenheit des Kunstjüngers dazu, auf das
im Kurs immer noch so hochstehende „Malen
und Modellieren" zu verzichten, sich an die
schmutzige Drehscheibe zu setzen und nur mit
einem Knödel von billigem Ton immer wieder zu

versuchen, ein Tonschälchen von einigen Zenti-
metern Höhe fertig zu bringen. Mit dem all-
mählichen Gehorchen des Tones unter den
Fingern des Übenden erwacht dann allerdings
ein gewisses Schöpfergefühl.

Teils aus praktischen Gründen, teils aus Ver-
langen nach Farbe und Glasur wandert die
wohlgelungene „geschrühte" Schale (als „Ter-
rakotta") zum zweiten Mal in den Brennofen.
Mit fieberhafter Spannung erwartet der Schöpfer
seine Werkchen aus der Glut. Kobalt-, Man-
gan-, Kupfer-, Eisen-Glasuren und -Malereien,
diese uralte, ausgeprobte, bewährte, kleine
Skala liefert trotz aller Erfahrung immer wieder
Überraschungen und Enttäuschungen.

Die abgebildeten Proben von Schülerarbeiten
wollen und sollen nur beweisen, daß ihre Her-
steller richtiges Erfassen der bescheidenen Ma-
terie gelernt haben, und mit künstlerischer Ge-
sinnung, Sinn für Linie und Form, den Aus-
blick auf immer wieder neue Gestaltungsmög-
lichkeiten in ihren, für unsere neue Zeit viel-
leicht kaum zu rettenden Beruf hineinzutragen.
 
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